Open Course 2012, Themenbereich VI, Gesture Based Computing: –> Innovative Anwendungskonzepte: Wie können gestenbasierte Computerinteraktionen auf Basis von Motion Tracking in Lehr- und Lernszenarien eingesetzt werden?
Welchen Mehrwert bringt gestenbasierte Interaktion?
Bewegung aktiviert und entspannt. Das lange (und gesittete) sitzen auf Stühlen bedeutet für Menschen – egal welchen Alters – eine große Anstrengung. Der Körper ist gebaut, um sich zu bewegen. In der Bewegung erfährt der Mensch körperliche und geistige Entspannung. Sie bereitet den menschlichen Geist optimal auf den Lernprozess vor und sorgt dafür, dass auch nach längerer Zeit keine Ermüdung eintritt.
Doch mit Bewegung allein ist es nicht getan. Wesentlich ist, die Einbindung der Gestenteuerung in ein User-Zentriertes Gesamtkonzept das „User Experience“ sowie „Social Experience“ mit einschließt.
Um ein positives Bedienerlebnis zu erzielen, ist eine wesentliche Anforderung an die Gestaltung einer Gestensteuerung von Lernmedien, ein breites Spektrum an möglichst natürlichen, anatomisch sinnvollen Bewegungsabfolgen zu erlauben. Es muss unbedingt vermieden werden, dass eine Anwendung nur bestimmte, einseitige Gesten zulässt, die schlimmstenfalls sogar für Muskelverspannungen sorgen und dadurch die Lernsituation zusätzlich verschlechtern.
Gestensteuerung hat das Potenzial, eine völlig neuartige und überwältigende Social Experience zu schaffen. Bewegung in der Gruppe hat einen spielerischen Aspekt, der viel Freude, Spass und positive soziale Kontakte bringt.
Falls das Anwendungskonzept gut gestaltet ist, und es tatsächlich die gewünschten Effekte bringt, wirkt sich das positiv auf das gesamte Gruppenklima sowie auf das kollektive Lernerlebnis aus. Wenn durch Interaktion und den Erwerb von Erfahrungswissen zusätzlich noch Lerngeschwindigkeit und Lerntiefe gefördert werden, sind das optimale Voraussetzungen für ein wirklich innovatives Lehr- und Lernkonzept.
Welche sinnvollen Szenarien sind im universitären Bereich denkbar?
Ein interessantes Szenario ist die interaktive Präsentation. Nicht nur Dozenten an Unis können gestenbasiert durch die Präsentation navigieren, sondern es besteht auch die Möglichkeit, Studenten einen gestenbasierten Zugang zur interaktiven Präsentation zur Verfügung zu stellen.
Zwei Modelle sind denkbar. Modell Nr. 1: Die klassische Lehr-Lern-Situation. Es läuft eine Präsentation im Studienraum ab, während der Dozent seine Vorlesung hält und alle Studenten zuhören bzw. sich partiell beteiligen. Hier wäre eine Beteiligung mit mobilen Endgeräten ebenso möglich wie eine gestenbasierte Steuerung der Interaktiven Präsentation. Der Nachteil dieses Szenarios ist, dass nur eine Person aktiv sein kann, während alle anderen still dasitzen müssen. Die klassische langweilige Unterrichtssituation. Mit diesem Szenario würde man dem Potenzial gestenbasierter Anwendungen nicht gerecht werden.
Wirklich spannend wird die Technik in Modell 2. Der Dozent erklärt zu Beginn den Ablauf der Sitzung und bildet anschließend Gruppen. Optimal sind Gruppengrößen zwischen 4 und 6 Personen. So hat jeder Student ausreichend Zeit, selbst tätig zu werden. Die Gruppen arbeiten mit der interaktiven Präsentation in einem peer to peer Netz. Die Arbeitsergebnisse werden anschließend im Plenum vorgestellt. Selbstverständlich geschieht auch das mithilfe der interaktiven Präsentation.
(Zu überwindende) Stolpersteine auf dem Weg in die Zukunft innovativer Lernanwendungen
Die allgemeine Diskussion rund um innovative Themen läuft mangels eines breiten Spektrums an konkreten Beispielen häufig sehr abstrakt ab. Es werden Techniken und Möglichkeiten vorgestellt. Dabei scheint es, als würde man alle und alles über einen Kamm scheren. Das beginnt schon bei der Mischung unterschiedlicher Marktsegmente im Bereich Bildung (Schule, Universität, Berufliche Weiterbildung und Lebenslanges Lernen) und geht weiter damit, dass keine konkreten Anwendungsfälle passend zu den Zielgruppen herangezogen werden.
Lernziele, Fachbereiche, Themengebiete; All das scheint für die Gestaltung einer Lernanwendung nicht relevant zu sein. Die Diskussion wird in Richtung „Top-Down“ geführt während ein „Bottom-Up-Ansatz“ mangels konkreter Beispiele nicht stattfindet. Beide Ansätze sind aber nötig, um ein umfassendes Bild der Situation zu erhalten. Ausprobieren ist angesagt!
Gibt es möglicherweise Themen, die sich für diese Art des Lernens besser eignen als andere? Wie erfolgt die visuelle, auditive und textuelle Darstellung des Lernstoffs? Welche Tools werden verwendet, wie werden sie untereinander verknüpft etc.
Was mich als Spezialistin für Visuelle Kommunikation immer wieder erstaunt, ist die Annahme, man könne ein Konzept erstellen, ohne die zugrundeliegenden Inhalte, Zielgruppen, Anforderungen zu kennen. Man kann das natürlich tun, doch erst die Erprobung wird zeigen, in wie weit die vorab definierten Anforderungen erfüllt werden oder nicht.
Doch Das Ausprobieren ist wegen organisatorischer Herausforderungen ein schleppender Prozess. Und außerdem operiert man hier am „offenen Herzen“.
Einige Voraussetzungen, die gegeben sein müssten, um Gestenbasierte Lernanwendungen im Universitären Bereich zu testen:
- BYOD (Bring your Own Device)
- genügend Zeit zum Ausprobieren
- Aufgeschlossene Student/inn/en
- Ein passendes Thema
- Eine bereits vorhandene Anwendung
Na, das wäre doch mal eine gute Ausgangsbasis für ein spannendes Forschungsprojekt. 😉
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