Erfahrungen aus einem Jahr Lehre: Teil 2 Online Lehre an der Hochschule

Meine zweite Lehr-Erfahrung aus dem Jahr 2013 ist geprägt von Online-Sessions im Studiengang Medienwirtschaft. Ich habe die meisten Studenten aus meinen Kursen noch nie persönlich getroffen. Alle Veranstaltungen (mit Ausnahme der Klausuren) finden online statt. (Meine Erfahrungen im Bereich Kommunikationsdesign müssen in einen weiteren Artikel. Das wird sonst zu viel auf einmal. Der Stoff in meinem Kopf allein aus dem Bereich Medienwirtschaft hätte locker für vier Artikel gereicht.) 😉

Meine Tätigkeit an der DIPLOMA Hochschule im Bereich Online Lehre

Zielgruppe

Berufstätige, die sich an den Wochenenden weiterbilden wollen. Die Hochschule bietet in ihren deutschlandweiten Studienzentren auch Präsenzstudiengänge an. Ein Fernstudium kommt dann zustande, wenn in einzelnen Studienzentren nicht genügend Studienbewerber zusammen kommen oder wenn der Weg zum Studienzentrum sehr weit ist.

Diploma-Session
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Herausforderung

Medienwirtschaft ist ein interdisziplinärer Studiengang, der aus den Bereichen BWL, Recht und Medienmanagement zusammengesetzt ist. Soziodemografische Merkmale wie Alter, Schulbildung, Familienstand, Eigene Kinder im Haushalt, Nationalität, Berufstätigkeit, Religionszugehörigkeit, Einkommen, Sozialer Status, Medienkompetenz, etc. sind extrem unterschiedlich.

Die Kurse laufen Samstags von 9:30 bis 16:30 Uhr, was für eine Online Veranstaltung eine sehr lange Zeitspanne ist. Bei einigen Studierenden herrscht die Ansicht vor, dass man ein Online Studium ohne viel Aufwand schafft, wenn man nur die Studiengebühren bezahlt und an den Prüfungen teilnimmt.

Wenige Doppel-Sessions die in unregelmäßigen Abständen über die Trimester verteilt sind, bringen zusätzliche Herausforderungen, insbesondere bei neuen Kursen die sich zunächst einmal zusammenfinden und sich an meinen sehr handlungsorientierten, teilgeberaktivierenden Lehrstil gewöhnen müssen. Manche wollen während der Sessions nicht ins Mikrophon sprechen oder sich vor einer Kamera zeigen. Oft werden technische Schwierigkeiten als Rechtfertigung für mangelnde Aktionsbereitschaft vorgeschoben.

Erfahrungsgemäß legt sich diese durch das Online Format bedingte Barriere je nach Gruppenzusammensetzung nach ca. zwei bis drei Sessions. Der Einführungskurs „Digitale Medien 1“ beinhaltet aber nur drei Doppel-Sessions. Es ist unter diesen Bedingungen sehr schwer, ein kontinuierliches Gruppen-Zugehörigkeits-Gefühl zu erreichen und alle Teilnehmenden zu integrieren, zumal nicht immer alle anwesend sind.

Leistungsnachweis

Leistungsnachweis ist laut Lehrplan eine Klausur. Dies gestaltet sich für den Design-Bereich als eine Herausforderung. Als Lösung wurde die Abfrage von Prozesswissen sowie die Beschreibung von praktischen Designaufgaben gewählt. Ein paar formale Wissensinhalte aus den Bereichen Corporate Design, Druckvorstufe und Web-Programmierung sind ebenfalls Teil der Prüfungsleistung. (Es ist schwierig, in den Online Seminaren/Workshops die Motivation zur praktischen Arbeit zu erreichen, wenn die Prüfungsleistung mit der praktischen Arbeit nur am Rande etwas zu tun hat.)

Durchführung

Anmerkung vorab: Lern- bzw. Lehrziel ist im Studiengang Medienwirtschaft weniger praktische Gestaltungskompetenz, als vielmehr ein allgemeiner Überblick zu Prozessen und Methoden aus dem Bereich Kommunikationsdesign. Bevor ich als Lehrbeauftragte an den Start ging, erhielten die Studierenden Lernhefte die sie „durcharbeiten“ sollten. In der Vorlesung wurde ohne jeglichen Praxisbezug online darüber referiert, welche Funktionen die wichtigsten Grafikprogramme haben. In den Klausuren sollten die Studierenden dann verschiedene Programmfunktionen erklären.

Der Versuch, diesen allgemeinen Überblick durch formales Wissen zu erreichen war daran gescheitert, dass die Studierenden nicht in der Lage waren zu verinnerlichen, wie ein Grafikprogramm bedient wird, wenn sie die Programmoberfläche nur auf einem Bild sehen konnten. Zum Verständnis eines Grafikprogramms gehört immer Handlungswissen (d.h. praktisch ausgeführte Interaktion mit dem Programm) auch dann, wenn die Studierenden nur einen Überblick zu den Programmfunktionen erhalten sollen.

Ich übernahm eine Menge von Studierenden, die zu Recht sehr unzufrieden mit der Situation waren. (Die Unzufriedenheit hatte nichts mit dem Online-Format zu tun, da ich diesen Kurs auch in Präsenz gehalten, und die gleiche Unzufriedenheit erlebt habe!) Mein persönliches Ziel bestand nun darin, aus unzufriedenen Teilnehmern zufriedene Teilgeber zu machen.

Meine Kurse starte ich zunächst einmal mit einer Online Recherche zum Berufsbild „Medienwirtschaft“ und lasse die Teilgebenden anschließend eine kleine Präsentation zu ihren persönlichen Berufszielen sowie zu ihren Wünschen für den Kurs machen. In der Präsentation soll auch der berufliche Hintergrund sowie die persönliche Motivation für das Studium beschrieben werden.

Die Online Kurse werden über Adobe Connect abgehalten. Zusätzlich erstellen wir eine Facebook Gruppe, die dem schnellen Austausch von Dateien und Informationen dient. Ich biete in der ersten Session gleich das „Du“ an und frage ab, ob dies für alle Teilgebenden ok ist. Der „hierarchiefreie“ Umgang untereinander wurde bisher immer sehr positiv aufgenommen.

Wenn das Eis gebrochen ist und die technischen Herausforderungen gemeistert wurden, starten wir mit einer Gruppenarbeit. Adobe Connect hat eine Gruppen-Funktion, die ich ausgiebig nutze. Ich gebe klare Zeiten vor, wann ich die einzelnen Gruppen zur Präsentation zurück in den Hauptraum hole. Während der Gruppenarbeitszeit gehe ich von Gruppe zu Gruppe und biete Coaching an. Die Tools die zur Zusammenarbeit verwendet werden lasse ich die Teilgebenden selbst vorschlagen, da es zu lange dauern würde, auch noch Tools zu erklären. So kennt mindestens ein Gruppenmitglied das Tool und erklärt den anderen wie es funktioniert. Bei Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit, schlage ich optionale Tools vor, die mir in der spezifischen Situation gerade geeignet scheinen.

Bei der Präsentation lasse ich die Teilgebenden sich untereinander Feedback geben und sage selbst nur ab und zu etwas. Über die Facebook-Gruppe arbeiten die Teilgebenden in der Vorlesungsfreien Zeit weiter an ihrer praktischen Arbeit und geben sich gegenseitig Feedback oder Hilfestellung. Im Einführungskurs wird ein einfacher Flyer erstellt, im Aufbaukurs eine einfache Webanwendung umgesetzt.

Das Lernen der Programme erfolgt handlungsorientiert. Die Teilgebenden durchlaufen an einer leicht durchzuführenden Aufgabe alle Phasen des Gestaltungsprozesses. In regelmäßigen Abständen treffen wir uns gemeinsam zu einer Frage-Session. Ich beantworte alle Fragen, die während der Arbeit mit den Programmen aufgetaucht sind. Hierzu nutze ich die Bildschirmfreigabe-Funktion von Adobe Connect. Als Antwort auf die Fragen zeige ich an meinem eigenen Rechner, wie sich etwas umsetzen lässt. Zwischenfragen sind während der Bildschirmfreigabe über einen Chat oder verbal möglich.

Fazit. Meine persönliche Lehrerfahrung

Sollen Lernende zu praktisch orientierten Wissensinhalten ausschließlich einen Überblick erhalten, reicht es keinesfalls aus, den Stoff theoretisch abzuhandeln. Da ich mit den Studierenden aus dem Bereich Medienwirtschaft nicht so intensiv arbeiten kann wie mit den Kommunikationsdesignern, muss ich mir etwas einfallen lassen, wie der Stoff mit möglichst einfachen Mitteln in relativ kurzer Zeit praktisch erarbeitet werden kann. Dabei sollte das Lernziel nicht aus den Augen verloren werden, nämlich einen Überblick zu Programmfunktionen, Darstellungsmethoden und Arbeitsprozessen zu erhalten.

Manchmal hilft ein Sprung ins kalte Wasser. Wenn die Teilgebenden merken, dass sie Unterstützung bekommen und auch im Online Format auf individuelle Fragen Bezug genommen wird, legt sich die Furcht vor Grafikprogrammen schnell. Den Anspruch, alle Funktionen von vier unterschiedlichen Programmen kennen zu müssen, lassen wir einfach fallen. Das nimmt viel Druck weg. Anfangs glauben einige, dass sie – um ein Programm bedienen zu können – alle Funktionen bereits kennen müssten. Sie sind dann angenehm überrascht, wenn sie schnell und einfach einen Flyer erstellt haben ohne vorher jemals mit einem Grafikprogramm gearbeitet zu haben.

Wichtig für die Studierenden ist, das grundlegende Funktionsprinzip eines Programmes zu verstehen. Am Beispiel der eigenen praktischen Arbeit kann die grundsätzliche Funktionsweise eines Programms verinnerlicht, später abstrahiert und auf andere Funktionsbereiche übertragen werden. Die Studierenden sind danach in der Lage, zu entscheiden in welchen Arbeitssituationen ein bestimmtes Programm sinnvoll eingesetzt werden kann. Das ist es, worauf es in ihrem späteren Berufsfeld ankommt und nicht jede einzelne Funktion zu kennen. Den Praxisbezug stellen wir immer wieder her, indem verschiedene realistische Arbeits-Szenarien erarbeitet werden. Dies funktioniert hervorragend, da viele ja bereits über Praxiserfahrung verfügen. Die Erfahrenen können ihre Erfahrungen noch einmal reflektieren, die Zuhörer können vom vorhandenen Erfahrungswissen profitieren.

In der Online Lehre ist die (Online-)Präsenz aller Teilgebenden von großer Bedeutung. Der „virtuelle Funke“ muss überspringen. Dabei konnte ich feststellen, dass es viel weniger relevant ist als ursprünglich vermutet, alle Personen im Bewegtbild zu sehen. Es geht vielmehr darum, eine persönliche, vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen in der alle Teilgebenden das Gefühl haben, Fehler machen, Fragen stellen und die eigene Befindlichkeit zum Ausdruck bringen zu können. Ganz wichtig ist Spass miteinander zu haben und gemeinsam zu lachen. Wenn es gut läuft, stellt sich ab einem gewissen Punkt eine Art „Flow“ ein und alle vergessen, dass sie online sind, das Mikro ja eigentlich gar nicht geht 😉 oder das blöde Tool mal wieder nicht das macht, was es soll. 😀

Die Teilgeberaktivierung erreiche ich dadurch, dass ich kaum Vorlesungen halte und wenn, dann nicht länger als 10 Minuten am Stück. Ich lasse die Studierenden den Stoff am praktischen Beispiel selbst erarbeiten und später selbst ihre eigene „Vorlesung“ halten. Alle Studierenden präsentieren während einer Session mehrmals ihre Arbeit. Wir haben immer wieder Gruppenarbeits-Phasen, die ca. eine halbe Stunde dauern. Durch die Zeitknappheit und die vielen Kurz-Präsentationen kommt auch bei einer Online-Session von sieben Stunden mit nur ein paar wenigen Pausen keine Langeweile auf.

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