Als Feedback auf Version 1 meines Beitrags zum JFME16 erhielt ich den Hinweis, besser zu klären worauf ich hinaus möchte. Recht haben die Gutachter! Mein theoretischer Teil war im Verhältnis etwas lang. Der spannende Teil – nämlich die Erklärung meines Forschungsvorhabens – beschräkte sich auf die letzten beiden Absätze. Worum also geht es? Was habe ich vor? Im vorhergehenden Blogpost habe ich hergeleitet, warum eine Web Literacy Map speziell für Wissenschaftler nötig ist, und dass eine solche derzeit noch nicht existiert.
Web Literacy für Wissenschaftler – Angewandte Forschung mit Praxisbezug
Rund um das Thema der „Vermittlung von Web Literacy für Wissenschaftler“ kreisen drei Fragestellungen:
- Frage Nummer 1: Wie kann Web Literacy für Wissenschaftler vermittelt werden?
- Frage Nummer 2: Was genau muss vermittelt werden?
- Frage Nummer 3: (Einschub – Um Frage Nummer 1 und 2 zu beantworten, muss zunächst Frage Nummer 3 erprobt werden) -> Wie sieht ein praktikabler Weg zur Umsetzung öffentlicher Wissenschaft aus (Beschreibungsmodell/Framework)?
Übergeordneter Forschungsgegenstand: Öffentliche Wissenschaft
Anhand dieser Fragen, dieses Themensettings und des zugeordneten „Vermittlungsbezugs“ sollen später Rückschlüsse auf die Umsetzung öffentlicher Wissenschaft möglich werden. Wie das im Einzelnen geschehen soll, wird in den folgenden Absätzen gedanklich hergeleitet.
Ich habe im vorhergehenden Blogpost ja bereits erwähnt, dass öffentliche Onlineforschung derzeit kaum umgesetzt wird. Es sollte sich daher als schwierig gestalten, frage Nummer 3 im Rahmen eines empirischen (bzw. erklärenden und messenden) Ansatzes herauszufinden. Wer weiß schon, was öffentliche Wissenschaft ist. Sie existiert ja bislang nur in Ansätzen und wurde in der Praxis kaum erprobt.
Da helfen weder Dokumentenanalysen (wenn Dokumente keine bestehenden Projekte dokumentieren, sondern nur Ziele und Wünsche beschreiben), noch quantitative Befragungen (wenn die Fragestellungen sich auf Annahmen beziehen, die ja niemals durch reale Erfahrungen bestätigt wurden). Eine quantitative Befragung zu Einstellungen von Wissenschaftlern einer öffentlichen Wissenschaft gegenüber, die sie nie umgesetzt haben können daher nichts als Vorurteile und Spekulationen sein, die in wissenschaftlichem Gewand daherkommen.
Es muss also ein Forschungsansatz her, der es ermöglicht, innovative Szenarien zu erproben und auf dieser Basis im Idealfall zu generalisierbaren Forschungsergebnissen – oder etwas kleiner gedacht – zumindest zu beschreibenden Forschungsergebnissen zu gelangen. Ein in sich stimmiges Beschreibungsmodell würde ja schon ausreichen. 🙂 Natürlich spekuliere ich auf mehr, aber anfangs darf man gerne etwas euphorisch sein, oder? Wir werden sehen, was die Zeit bringen wird.
Was ist Design Based Research?
Es gibt einen solchen Ansatz, oder nennen wir es besser ein neues Forschungsparadigma: Design Based Research (DBR). Dieser Ansatz bedient sich aus einem Mix klassischer qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden. Neu ist deren Kombination. Was genau ist DBR? Was kann DBR? In Kürze funktioniert es so: (ich bin jetzt einfach mal so frei, mein Paper in Teilen zu zitieren, das hier im Post angehängt ist und das als Abstractband auf der Website des JFME16 bereits veröffentlicht wurde.)
DBR: Problem spezifizieren, theoretischen Referenzrahmen abstecken, Forschungsdesign (weiter)entwickeln und testen, Designprinzipien ableiten, Interventionen zusammenfassend evaluieren und Designprinzipien konsolidieren (vgl. Euler/Sloane 2015, 20) Konkret ergibt sich daraus für mein Forschungsdesign folgender Methodenmix:
- Prototyp des „ Prozess-Design“ auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse
- Erprobung und Re-Design
- Qualitative Befragung, erste Iterationsstufe, audiovisueller Onlinefragebogen
- Erprobung und Re-Design
- Qualitative Befragung, zweite Iterationsstufe, audiovisueller Onlinefragebogen
- Erprobung und Re-Design
- Auf Basis der daraus abgeleiteten Ergebnisse erfolgt eine quantitative Befragung
Geplante Betrachtungsebenen des Beschreibungsmodells
Und was soll dabei herauskommen? (zumindest mal so in der Planung) Das Beschreibungsmodell soll unterschiedliche Aspekte abdecken, die aus meiner Sicht alle nötig sind, um ein umfassendes Bild des Forschungsgegenstandes zu erhalten und diesen an Wissenschaftler zu vermitteln. Dabei liegt der Fokus in der Anfangsphase mehr auf dem prozessualen und technischen Aspekt. Nach Erprobung des Beschreibungsmodells und dessen Vermittlung, können dann sukzessive auch die anderen Aspekte entwickelt werden. (d.h. motivationaler, ermöglichender, sozialer Aspekt) Wenn alles gut läuft, können im Anschluss an den letzten Schritt – die qualitative Befragung – Rückschlüsse auf den kontextualen Aspekt gezogen werden.
- Prozessualer Aspekt (Evaluation eines kollaborativ durchgeführten Prozesses)
- Technischer Aspekt (Spezifikation benötigter Funktionalitäten)
- Motivationaler Aspekt (Beschreibung persönlicher Einstellungen)
- Ermöglichender Aspekt (Beschreibung benötigter Handlungskompetenzen)
- Sozialer Aspekt (Beschreibung relevanter sozialer Praktiken)
- Kontextualer Aspekt (Ableiten von kulturellen Elementen, Normen oder Werten)
Ist Design Based Research der richtige bzw. der passende Weg für mein Forschungsdesign?
Zurecht wurde ich u.a. von Thomas Pleil mit einem breiten Grinsen gefragt, wie viele Jahre ich denn für meine Doktorarbeit veranschlagt hätte. Ja, zugegeben. Das Vorhaben könnte schon etwas aufwändiger werden. Das weiß ich selbst. Aber dennoch möchte ich Mittel und Wege finden, einen DBR-Ansatz zur Anwendung zu bringen. Es gibt zwei wesentliche Gründe, warum ich glaube, auf dem richtigen Weg zu sein.
Grund Nummer 1: bisher sprechen all meine Recherchen dafür, dass das Forschungsdesign perfekt dafür geeignet scheint, meine Forschungsfragen zu beantworten. Man darf mich an dieser Stelle bitte unbedingt und gerne widerlegen. 🙂
Grund Nummer 2: Da ich jahrzehntelange Erfahrung mit kreativen Prozessen in unterschiedlichen Kontexten (z.B. Präsenzehre, eLearning, visuelles Design, Text-Design, Forschung und Entwicklung) mitbringe und mir im Laufe der Jahre ein Potpourri von Fähigkeiten angeeignet habe, um kreative Prozesse einerseits frei laufen zu lassen und andererseits bei Bedarf wieder zu strukturieren, halte ich mich für die perfekte Kandidatin, einen DBR-Ansatz mit Minimalaufwand umsetzen zu können. Selbsteinschätzungen mögen täuschen und ich bin gespannt, ob ich meine Meinung nicht im Laufe meiner Forschungstätigkeit ändern werde. Soweit, sogut, derzeit bin ich überzeugt, dass dies der richtige Weg ist.
Teamwork? Ja, bitte
Es bestünde ja noch eine Möglichkeit, die Iterationsstufen dadurch zu ersetzen, dass Mehrere Forscher die Forschungsbereiche untereinander aufteilen. Auch die von mir weiter oben beschriebenen unterschiedlichen Aspekte die im Beschreibungsmodell enthalten sein sollen, könnten aufgeteilt werden. Um ein rundes Bild zu bekommen, halte ich die Klärung all der genannten Aspekte für zwingend notwendig. Wenn ich ehrlich bin, spekuliere ich darauf, dass sich zahlreiche Mitstreiter finden werden, die gemeinsam und öffentlich zum Thema forschen wollen und werfe meine Ideen einfach mal in den Online-Raum. Wer weiß, was sich ergibt. 😀
Leider muss ich feststellen, dass ich mit zwei Blogposts immer noch nicht alle relevanten Inhalte beschrieben habe. Ein dritter zum Themenkreis muss her. Darin werde ich beschreiben, wie die konkrete Umsetzung aussehen soll, d.h. wie soll der audiovisuelle Online-Fragebogen umgesetzt werden? Welches Anwendungsbeispiel für das Prozess-Design schwebt mir konkret vor? (Hiermit meine ich die konkrete und beispielhafte Ausgestaltung des Prozess-Designs: d.h. welche Personen in welchem Projekt mit welcher Tätigkeit beforscht werden sollen) Reicht denn überhaupt ein Praxisbeispiel oder müssten unterschiedliche Beispiele beforscht werden? Und in welcher Form soll das Prozess-Design daherkommen? Wie genau soll es an die Wissenschaftler vermittelt werden?
Puh. Hört das mit den Fragen denn garnicht auf? (selfnote: ich fange ja erst an. Vermutlich wird das mit den Fragen noch eine ganze Weile so weiter gehen.) Aber – lieber Leser – es wäre ja sonst langweilig und Du würdest nicht wiederkommen, wenn es nichts mehr zu fragen gäbe. So long. (uhhh, da fällt mir ein, ich wollte ja englisch schreiben…Vermutlich wird es noch eine Weile dauern, bis ich in englisch laut denken kann und das habe ich in diessem Post getan.) Stay tuned.
Orientierung und Metainfo
Das ist Teil 2 einer zusammengehörenden Serie von Blogposts, die mein Forschungsvorhaben beschreiben
Teil 1: JFMH – Die vermessen(d)e Bildung: Teil 1 – Web Literacies für Wissenschaftler
Teil 3: Open-Science: Angewandte Forschung und konkrete Umsetzung des Anwendungsbeispiels
Im Anhang mein Beitrag zum JFMH16 in Version 2
JFMH-2016_Hueber_v2Version 2 des Papers zum Download
SHAREAnmerkung: Dieser Arktikel ist eine Beta-Version. Es kann sein, dass sich im Laufe des Schreibens noch Änderungen ergeben. Es soll daher bald ein System mit Versionsmanagement eingesetzt werden. So sind die Änderungen später noch nachvollziehbar.