Konzepte scheiben ist seit Jahren mein tägliches Brot. Die Tätigkeit sollte mir also nicht schwer fallen. Oder etwa doch? In diesem Fall ist es deshalb so schwer, weil ich kein konkretes Anwendungsbeispiel habe, das ich als Ausgangsbasis für mein Konzept verwenden kann. Normalerweise würde ich erst akquirieren und anschließend, auf realistischen Annahmen basierend, mein Projekt aufbauen. Hier muss ich zunächst die Spezifikation für ein noch nicht vorhandenes Projekt schreiben und daraufhin eine fiktive Planung vornehmen. Puh.
Die gesamte Akquisetätigkeit und auch das Akquise-Ergebnis muss ich gedanklich antizipieren, in der Hoffnung, dass ich es dann exakt so umsetzen kann, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich muss aus meiner Erfahrung schöpfen, wenn es darum geht vorherzusehen, wo ich ein geeignetes Anwendungsbeispiel finden werde und wie es realitätsnah ausgestaltet sein soll. Das kommt einer Quadratur des Kreises nahe. Da ist das Schreiben von Forschungsanträgen ja ein Kinderspiel, denn dort kann man sich seine Ressourcen gemäß der Vorgaben in der Ausschreibung selbst zusammenstellen. Ich aber bin gezwungen, ohne (externe) Ressourcen zu planen und kann nur auf die Möglichkeit hoffen, an einem Forschungsantrag mitzuwirken oder aber ein bestehendes Projekt zu finden, das sich bereit erklärt, mit mir zusammen zu arbeiten. Nicht ich gebe vor, was gemacht wird. Stattdessen muss ich mich mit den äußeren Gegebenheiten arrangieren. Welche Gegebenheiten das sein werden? Wer weiß das schon.
Bislang habe ich jedenfalls noch nie als Hellseherin gearbeitet. Nein, Scherz beiseite, ich entwickele jetzt eine Grobplanung, die sich an der Realtiät wohl noch etwas abreiben wird. Ich schätze, dass einiges von dem, was ich gleich planen werde, wieder in die Tonne getreten werden muss. Da bin ich ganz pragmatisch. Doch ohne Proposal keine Annahme der Diss, kein Doktorvater und kein weiterkommen. So sind die Regeln.
Eins jedenfalls ist klar: Wenn ich keine Teilnehmer bzw. kein geeignetes Projekt finde, in dem ich gestaltend tätig werden kann, werde ich die Anwendungsorientierung und den Design Based Research Ansatz aufgeben müssen. Das wäre schade. Aber ich möchte mich von den Hindernissen auf meinem Weg nicht allzusehr beeindrucken lassen und lege einfach mal los mit meiner Planung.
Die Grobplanung
Vorbereitungsphase
- Recherche und Umfrage zu Tools, die Wissenschaftler in der öffentlichen Onlinekollaboration nutzen:
(Ergebnis: Spezifikation mit Tool-Übersicht und benötigtem Funktionsumfang – wird regelmäßig aktualisiert, da derzeit viele neue Tools entwickelt werden. Dies berücksichtigt die exponentiell anwachsende Dynamik des Themas Öffentliche Wissenschaft) - Recherche zu Prozessen: Welche öffentlichen Prozesse wurden in der Wissenschaft bereits umgesetzt?
(Ergebnis: Dokument mit Best Practice Beispielen – wird regelmäßig aktualisiert, da derzeit überall neue Projekte entstehen. Dies berücksichtigt die exponentiell anwachsende Dynamik des Themas Öffentliche Wissenschaft)
- Plan von Aussehen und Vermittlung des Beschreibungsmodells in Version 1:
(Ergebnis: Musterdokument für Beschreibungsmodell mit Inhaltsschema, verwendeten Medien, Design, didaktischem Vermittlungskonzept, sowie erste Tests zur Überprüfung der technischen Machbarkeit, d.h. Feasability-Study in Version 1.) - Theoretische Recherche noch feiner ausarbeiten (siehe hierzu diesen Blogpost)
- Plan von Methoden und Instrumenten zur Datenerhebung:
(Ergebnis: Dokument in dem Methoden und Instrumente zur Datenerhebung genau beschrieben und auf Machbarkeit geprüft sind) - Konzeption anhand von ethischen Gesichtspunkten überprüfen und rechtliche Fragen klären:
(Ergebnis: Dokument mit theoretischen Grundlagen sowie praktischer Erörterung zu ethisch-rechtlichen Fragen auf Basis eines userzentrierten Ansatzes, d.h. Analsyse des Nutzungskontexts, Entwicklung von Personas und User-Journey sowie Entwurf einer Einwilligungserklärung für die Teilnehmenden) - Aquisestrategie konzipieren:
(Ergebnis: Akquisekonzept mit Beschreibung des Anwendungsbeispiels, Akquise-Zeitplan, Liste Ansprechpartner) - Aquisestrategie umsetzen:
(Ergebnis: Laufendes Projekt akquiriert. Plan B: Einzelpersonen gefunden, die bereit sind, an einem Experiment zur öffentlichen Onlinekollaboration teilzunehmen) - Realitätscheck für Prozesse im Anwendungsbeispiel:
(Ergebnis: Gegenüberstellung von bereits recherchierten Prozessen und Prozessen im Anwendungsbeispiel) - Realitätscheck für Methoden und Instrumente zur Datenerhebung:
(Ergebnis: Schriftliches Dokument mit Erörterung, Feedback-Gutachten einer dazu qualifizierten Person und Pretest. Ziel: sicherstellen, dass sich Instrumente und Methoden zur Datenerhebung einfach in das Anwendungsbeispiel integrieren lassen und eine zur Durchführung ausreichende und längerfristig sichergestellte Motivation der Teilnehmenden gegeben ist. Außerdem Bestätigung, dass Forschungsfragen durch Methoden und Instrumente der Datenerhebung beantwortet werden können. Gegebenenfalls muss an dieser Stelle bereits ein Redesign von Forschungsmethoden, Datenerhebungsmethoden, sowie des Plans des Beschreibungsmodells vorgenommen werden. Die oben genannten Dokumente müssen also alle noch einmal angefasst und auf Stimmigkeit hin überprüft werden. All diese Informationen fließen in eine Feasability-Study in Version 2 mit ein.) - Zusammenfassung reflektierender Prozesse der Doktorantin, um transparent zu machen, welches Bias die Arbeit motiviert und um Objektivität sicherzustellen:
(Ergebnis: Zusammenfassung und Reflektion der Blogbeiträge) - Umsetzung des Beschreibungsmodells in Version 1:
(Ergebnis: Implementiertes Beschreibungsmodell bzw. Prototyp in Version 1 inclusive aller Instrumente zur Datenerhebung) - Abschließende Feasability-Studie für die Vorbereitungsphase:
(Ergebnis: Dokument mit Studie zur technischen Machbarkeit, zur Machbarkeit aus Usersicht, d.h. Motivation, Ethik, Usability, zur rechtlichen Machbarkeit, zur aus Perspektive der Doktorantin objektiven Durchführbarkeit sowie zur wissenschaftlichen Machbarkeit, d.h. wissenschaftliche Plausiblität, Objektivität, Reliabilität, Validität, etc.)
Durchführung der Iterationsstufen
Insgesamt folgen nun drei Iterationsstufen, die jeweils nach folgendem Muster ablaufen:
- Planung und Durchführung eines oder mehrerer Online-Teilnehmermeetings zur Vermittlung des Beschreibungsmodells:
(Ergebnis: Projektteilnehmer haben alle nötigen Informationen, um zu starten) - Erprobung des Beschreibungsmodells. d.h. Durchführung der öffentlichen Kollaborationsprozesse und Anwenden der Methoden zur Datenerhebung, d.h. Qualitative Befragung, Beobachtung, regelmäßige Teilnehmermeetings:
(Ergebnis: Datensammlung und Datenzusammenführung) - Datenauswertung:
(Ergebnis: Qualitativ ausgewertete Daten und daraus resultierende Rückschlüsse in Version n) - Re-Design:
(Ergebnis: Auf Basis der Forschungsergebnisse neu gestaltetes Beschreibungs- und Vermittlungsmodell, ggf. bei Bedarf auch Änderung von Methoden zur Datenerhebung und -auswertung) - Update der Feasablility-Studie, der theoretischen Arbeit sowie eines reflektierenden Dokumentes, das auf die Entwicklung verschiedener Betrachtungsebenen des Beschreibungsmodells abzielt.
(Ergebnisse: 1. Feasablility-Studie in Version n, 2. theoretische Arbeit in Version n, 3. Reflektierendes Dokument zum theoretischen Aspekt, zum prozessualen Aspekt, zum technischen Aspekt, zum motivationalen Aspekt, zum ermöglichenden Aspekt, zum sozialen Aspekt, zum kontextualen Aspekt.)
Quantitative Studie zur Überprüfung der Ergebnisse
- Entwicklung eines konsolidierenden Beschreibungsmodells aus den bisher gewonnenen Dokumenationen und Ergebnissen:
(Ergebnis: Modellbildung abgeschlossen, Ableiten von Hypothesen)
- Fragebogenkonzeption und Pretest
(Ergebnis: Fragebogen ist fertig und kann durchgeführt werden) - Durchführung Befragung
(Ergebnis: Daten liegen vor) - Auswertung Befragung
(Ergebnis: Daten sind ausgewertet) - Rückschlüsse
(Ergebnis: Aufgrund der Ergebnisse können nun Rückschlüsse gezogen werden)
Konsolidierung der Ergebnisse und Abschluss
- Auf dieser Basis kann nun die Arbeit fertiggestellt werden
(Ergebnis: fertige Arbeit)
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Fehlt ja jetzt nur noch der Zeit- und Ressourcenplan. 🙂
Und ein konkretes Anwendungsbeispiel… 😀
Der aufmerksame Leser wird sich jetzt nämlich insgeheim fragen, warum die Methoden zur Datenerhebung noch nicht ausführlich beschrieben sind… Ja, ich weiß selbst, dass das noch fehlt, aber dazu brauche ich – wie gesagt – das Anwendungsbeispiel. seufz.
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