Radierung – Indexikalität und Reflexivität

Ähnlich wie beim bekannten Rohrschach-Test lassen die Radierungen den Rezipienten Raum für Projektionen ihrer eigenen Geistes- und Gedankenwelten. Manchmal steht die Welt Kopf, ist geisterhaft oder schemenhaft, ist ein Meer mit Buhnen, eine Person die eine andere anschaut oder ein Gartenzaun neben gerade frisch bearbeiter Erde. Was auch immer es ist, es gehört der Person, die es sich aneignet. Vielleicht gehört es auch Personengruppen, die darüber diskutieren.

Die Arbeit spielt mit „Wertungen“ und „Bedeutungen“. Bedeuten die beiden Buchstaben GO „geh weg“ oder „go for it“? Ist das Glas halb leer oder halb voll? Oder steckt hinter der einfachen Silbe das Chinesische Strategiespiel GO, dessen kulturgeschichtlicher und philosophischer Hintergrund eine riesengroße, spannende Gedankenwelt eröffnet?

Die Arbeit enthält mehrere visuelle Hinweisreize, die mit chinesischer Kultur in Verbindung gebracht werden können: das dunkle Holz, die teilweise an Kalligrafie erinnernde Strichführung, das Zeichen, das die Anmutung einer Morphemschrift hat (Morpheme sind Zeichen, mit bedeutungsverweisenden d.h. semantischen Elementen). Die chinesische Schrift ist eine Morphemschrift. Wir denken in Bedeutungsmustern. Nimmt man die visuellen Hinweisreize weg, nimmt die Assoziation zum chinesischen Brettspiel ab.

„Das, was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet – nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe –, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde.“ Aristoteles. (1928). Metaphysik / 2. Buch VIII – XIV (3. Aufl). 17, 1041b, Meiner.

Die im Film gezeigten Arbeiten entstanden an einer der Druckmaschinen im Drucklabor des Fachbereich Gestaltung an der h_da. Über die Radierung hinaus habe ich vor dem Druck Farbe auf die Zinkplatten aufgetragen. Einige Arbeiten haben eine Prägung dadurch erhalten, dass ich einen (violetten) Bindfaden auf die Platte gelegt habe. Er ist teilweise noch sichtbar.

Das Holz im Hintergrund stammt vom Fußboden des Kulturzentrums ArTHaus. Vielen Dank an Kristin Wicher für die Möglichkeit, die Räume zu nutzen und für die Unterstützung beim Fotografieren.

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