Erfahrungen aus einem Jahr Lehre: Teil 1 Präsenzlehre an der Hochschule

Das Jahr 2013 wird mir als ein ereignisreiches, rasantes Jahr mit steiler Lernkurve in Erinnerung bleiben. Nicht nur die MOOCs haben es mir in 2013 angetan. Mein Jahr war neben vielfältigen neuen Projekten und Herausforderungen geprägt von 3 sehr unterschiedlichen Lehr-Erfahrungen die mir – jede für sich – interessante Erkenntnisse gebracht haben.

Meine Tätigkeit an der Hochschule RheinMain im Bereich Präsenzlehre

Zielgruppe:

Studierende im Präsenzstudium am Fachbereich Media Management, drittes Semester, Studienfach Interaktionsdesign.

Herausforderung:

Eine diverse Gruppe von ca 40 – 46 Studierenden managen wobei einige noch nie eine gestalterische Arbeit im Bereich Interaktionsdesign erstellt haben, andere in diesem Bereich arbeiten und daher bereits über Erfahrung verfügen.

Da der Schein benötigt wird, um in das kommende Semester zu gelangen, ist die Grundmotivation dadurch bestimmt, bloß nichts falsch zu machen um ein Nicht-Bestehen des Kurses zu vermeiden. Dies würde nämlich zur Folge haben, dass das komplette Semeter noch einmal wiederholt werden müsste. Entsprechend hoch ist der Druck, dem die Studierenden ausgesetzt sind.

Leistungsnachweis

Leistungsnachweis ist die Abgabe einer praktischen Arbeit auf CD, die mithilfe eines Prototyping-Tools erstellt wurde, eine Dokumentation des individuellen Arbeitsprozesses sowie der Arbeitsergebnisse in schriftlicher Form.

Durchführung

Die Lern-Situation erfordert ganz klare Arbeitsanweisungen. Die benötigten Anweisungen sind für den Design-Bereich aber nur bedingt möglich, da kreative Arbeit immer sehr individuell ist und vielen Unwägbarkeiten unterliegt. Da die meisten es nicht gewohnt sind, kreativ zu arbeiten sondern in Schule und Studium gelernt haben, formale Lerninhalte „abzuarbeiten“, entsteht für die Studierenden eine nur schwer einschätzbare Lernsituation, die mit einem hohen Stresspegel verbunden ist.

Um die Situation zu entschärfen, werden die Studierenden in Gruppen eingeteilt. Trotz Gruppeneinteilung erstellen alle eine individuelle Arbeit. Das ist wichtig, da Gestaltung nur durch praktische Erfahrung gelernt werden kann. In einer Gruppe bestünde die Gefahr, dass einzelne Studierende die Gestaltung übernehmen, während die anderen Gruppenmitglieder nur zusehen oder sich um die schriftliche Arbeit kümmern. Dadurch würde bei einzelnen Studierenden ein Lernerfolg im Bereich Interfacedesign ausbleiben.

Die Gruppen nehmen wechselseitig an den Seminaren teil, um Individuelles Feedback zur gestalterischen Arbeit zu erhalten. So kann jede/r Studierende sicher sein, auf dem „richtigen“ Weg zu sein. Die Gruppeneinteilung erfolgt, da es nicht möglich ist, über 40 Studierenden an einem Tag ein individuelles Feedback zu geben.

Damit von Anfang an klar ist, was zu tun ist, erhalten die Studierenden zu Beginn der Veranstaltung genaue Anweisungen in Form einer Vorlesung, eines schriftlichen Kursplans sowie eines Aufgabenblattes, das die Beschreibung der Semesteraufgabe enthält. Das erwartete Arbeitsergebnis wird in diesem Dokument von Anfang an klar beschrieben, ebenso die (abstrahierten) kreativen Arbeitsprozesse und Methoden, die zum Arbeitsergebnis führen.

Fazit. Meine persönliche Lehrerfahrung

Nach dem vierten Semester in diesem Lern-Szenario stelle ich fest, dass immer wieder ganz unterschiedliche Situationen auftauchen, die eine individuelles Eingehen auf die Lernenden erfordern. Manche Studierende benötigen Unterstützung im konzeptionellen Bereich, andere wiederum haben Diskussionsbedarf, was das Design betrifft. Manchmal gibt es inhaltliche Herausforderungen zu meistern, manchmal geht es eher um die Art der Umsetzung von nutzerfreundlichen, userzentrierten Interaktionen. Manchmal fällt es Studierenden schwer, den eigenen Standpunkt zu verlassen und sich in den User hineinzuversetzen, manchmal werden unpassende Design-Metahpern gewählt. Manchmal wird die Arbeitsanweisung nicht oder sogar missverstanden. Es kommt auch vor, dass Studierende mein Feedback nicht annehmen wollen und beginnen mit mir zu diskutieren. Dies kann ich natürlich bei der Menge an Studierenden nicht unbegrenzt fortführen, weswegen ich oft die Feedback-Zeit begrenzen muss. (Es würden ja sonst andere Studierende zu kurz kommen)

Gerade im Design-Bereich ist die Spanne an möglichen Herausforderungen und Lernanlässen sehr breit gefächert und komplex.

Beim Feedback konnte ich lernen, wie wichtig es ist, eine klare Richtung vorzugeben, nicht einzuknicken, notfalls auch mal Kritik zu üben und dennoch die Intention der Studierenden zu achten und sie auf Ihrem individuellen Weg zu unterstützen. Dies erfordert Einfühlungsvermögen sowie einen achtsamen und individuellen Umgang mit jedem einzelnen Studierenden.

Obwohl diese Art von Lehre extrem anstrengend ist, macht mir das Einzel-Coaching sehr viel Spass. Mit manchen Studierenden habe ich anfangs sehr zu kämpfen. Sie sind unzufrieden und genervt, weil sie etwas nicht verstehen oder aktzeptieren wollen. Es gibt Diskussionen. Lernen ist manchmal ein sehr schwieriger, oft auch schmerzhafter Prozess des über sich hinauswachsens. Ich musste erst verstehen lernen, dass dieser innere und oft auch äußere Konflikt zum Lernen dazu gehört.

Bei einigen früher, bei anderen später merke ich, wie sich plötzlich etwas bewegt. Es ist immer wieder ein unglaublich tolles Gefühl, wenn sich bei jedem einzelnen dieser Wendepunkt vom „sich an einer Sache reiben“ hin zum „Verständnis“ einstellt. Von diesem Moment an beginnt der Arbeitsprozes zu laufen und am Ende des Semesters kommen fast alle Studierende zu guten/sehr guten Ergebnissen, selbst dann wenn es anfangs so aussieht, als würde überhaupt nichts voran gehen wollen.

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